Login

Quelle: dpa (Berit Schmidt) / Stuttgarter Zeitung Online

Nexus -- Rollenspiele als Erholung

Der Stuttgarter Verein bietet Urlaub von der Realität

Stuttgart - Sie nennen sich Bob, Claudio und Ruth. Gemeinsam suchen sie eine verschollene Postkutsche, die schon längst im verschlafenen Westerndorf Sparrow Creek eingetroffen sein sollte. Sheriff, Händler und Journalistin sind sie jedoch nur in ihrer Fantasiewelt beim Rollenspiel. Im wirklichen Leben heißen sie Daniela, Alex sowie Oliver und sind Informatiker, Elektriker und Service-Techniker.

In ihren erfundenen Welten aber kämpfen die Drei an der Seite von Elfen und Trollen gegen schießwütige Banditen oder böse Zauberer. "Wir machen Urlaub von der Realität. Das ist besser als eine Woche Mallorca", erklärt die Informatikerin Daniela Nicklas vom Rollenspiel-Verein Nexus in Stuttgart. Die Spieler können eine Zeit lang jemand anders sein - Eigenschaften ausleben, die sie sonst nicht haben.

Vor sieben Jahren wurde Daniela Nicklas von einer Kommilitonin zu ihrem ersten Rollenspiel-Abenteuer mitgenommen. Damals war sie ein Ritter an der Tafelrunde von König Arthus. Vor drei Jahren hat Daniela Nicklas den Ableger des Berliner Rollenspielvereins Nexus in Stuttgart mitgegründet. Mittlerweile leitet sie auch eigene Rollenspiel-Veranstaltungen.

Die 32-Jährige vergleicht das Rollenspiel mit dem Lesen eines Romans - nur dass die Spieler ihn selbst erfinden. Zunächst einigen sie sich auf das Genre. Gespielt werden kann alles: ein Krimi nach dem Vorbild von Agatha Christie, ein Fantasystück wie "Herr der Ringe" oder ein Science-Fiction-Abenteuer wie die Erlebnisse des Raumschiffs Enterprise. "Wir denken uns neue Charaktere aus", erklärt die Informatikerin, "das ist nichts anderes, als wenn man eine neue Fernsehserie plant".

In der Öffentlichkeit ist Rollenspiel wenig bekannt. Früher wurden die Spieler in Amerika beschuldigt, Satanisten zu sein. Deswegen geben in Deutschland nur wenige ihr Hobby zu. "Es gibt viele, die es tun, aber sich nicht trauen, darüber zu reden." Es sei schon eine ungewöhnliche Sache. "Aber wie normal ist es, einen Fußball-Fanschal zu tragen und grölend durch die Stadt zu rennen?", fragt Daniela Nicklas.

Entstanden sei das Rollenspiel durch historische Simulationsspiele. Nachdem alle Schlachten mit Miniaturfiguren nachgestellt worden waren, interessierten sich die Leute, was die einzelnen Figuren auf dem Schlachtfeld erlebt haben könnten. In Deutschland kam mit dem "Schwarzen Auge" das erste Rollenspiel auf den Markt.

Für ein Rollenspiel werden mindestens zwei Spieler und ein Spielleiter benötigt. "Der Leiter erklärt, wo sich die Spieler gerade befinden, gibt Situationen vor und fragt die Spieler, was sie tun wollen", erklärt die Chemikerin. So geraten Sheriff Bob, Händler Claudio und Journalistin Ruth plötzlich in einen Hinterhalt und müssen sich ihren Weg in das Versteck der Postkutschen-Räuber frei schießen. Am Ende retten sie natürlich die entführte Verlobte des Händlers und finden die gestohlene Beute.

"Aber der Mörder muss nicht immer gefunden werden", erläutert die 32-Jährige. Die Mitspieler können in ihren Rollen sogar ums Leben kommen. "Allerdings sterben die großen Helden nie." Meist schlüpfen die Spieler dann in andere Charaktere und machen einfach weiter. Ein Rollenspiel dauert meist mehrere Stunden. "Irgendwann hören wir einfach auf und machen ein anderes Mal weiter", sagte Daniela Nicklas, "wie ein Spielfilm mit Fortsetzung."

Infos im Internet: http://www.nexus-stuttgart.de

dpa/lsw

13.11.2006